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Gedanken eines ehemaligen Knappen - oder: aus dem Leben des Sir Veyt van Roth[]

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Kategorie:Orden des ErbauersKategorie:Geschichten

Teil 18[]

Gedankenknappen18

Normalerweise waren Rekorde dazu da, um gebrochen zu werden. Zumindest war Veyt bisher davon ausgegangen. Normalerweise deutete aber auch schon darauf hin, dass es auch andere Fälle gab. Rekorde, die einfach nur beeindruckend bis beängstigend waren und eher abschreckten, als zum Nachahmen beziehungsweise Überbieten anregten. Von letzterer Sorte gab es irgendwie mehr als von ersterem.

In Rekordzeit zum Beispiel brauten sich am Horizont so gewaltige Wolkenberge zusammen, dass die bald aus ihnen fallende Regenmenge das „Rasen sprengen“ sehr wörtlich auf den Westfaller Kornfeldern umsetzen würde. Hinter dem Horizont, weit über die Bäume des Elwynnwaldes hinweg, ragten die glühenden Mauern Sturmwinds in den Abendhimmel. Auch ein Rekord, denn keine Mauer glühte so lang so schön. Nur im Reparieren von Bauwerken blieb die Seenhainer Brücke noch mindestens für 5 weitere Jahre ungeschlagener Platz 1.

In Sturmwind selbst brauten sich ebenso Rekorde zusammen, und zwar „brauten“ im wortwörtlichen Sinne. Der Sturmwinder Hochzeitsmarathon war in der Tat etwas, was kein Bewohner so schnell vergessen würde. Die örtlichen Klatschblätter titulierten die Zeit schon als „Ein Todesfall und drei Hochzeiten“, war doch Seine Eminenz der Großinquisitor auf tragische wie schlagzeilenverdächtige Art mit einer Herzattacke während der Ständeratssitzung aus Dienst wie Leben verschieden. Seine Eminenz war vermutlich auch der erste Verblichene, der stattliche drei Wochen lang in der Kathedrale aufgebahrt lag – absolute persönliche Bestnote. Die Beerdigungsprozession war nicht minder spektakulär, gab ihm doch gefühlt das ganze Königreich das letzte Geleit.

Ja, es konnte schon schnell gehen mit zuviel Aufregung im Alter. Für einen kurzen Moment sah Veyt das Bild seines alten Herrn vor sich, wie dieser, wie so oft, mit verdrehtem Auge, Schnappatmung und auf die königspurpurne Silberhandrüstung abgestimmter Gesichtsfarbe durch die Späherkuppe tobte. Er schickte nahezu im gleichen Moment ein Stoßgebet gen Licht, Sir Arken möge nicht auf diese letzte, indirekte Herausforderung Seiner Eminenz eingehen.

Aber auch wenn der Alte sich gern spontan sehr aufregte, so fand er doch immer einen Gegenpol. Nicht zuletzt in seiner Gemahlin. So waren es auch diese beiden, die das Startsignal für den Sturmwinder Hochzeitssommer gaben. Team VanRoth I, Sir Arken und Lady Pyrota, Titelverteidiger in den Kategorien „die meisten gemeinsamen Hochzeiten“ und „am längsten verbundenes Paar“. Ja, sie hatten es schon wieder getan. Schon wieder. Zum dritten Mal in zwei Jahren. Diesmal ganz nach Mutters Vorstellungen mit Kathedrale, tauglichem Priester und dem ganzen Pipapo drum herum. Was man(n) halt so tat um seiner Dame zu gefallen. Man könnte natürlich fragen wozu das Ganze, sie waren ja schon verheiratet. Und sogar noch einmal. Zur Sicherheit.

Nun, bei genauerer Betrachtung fiel eindeutig auf, dass allein die erste Ehe schon einen Rekord aufgestellt hatte, nämlich den der schnellsten Hochzeit. Sie dauerte genausolange wie der Priester brauchte um zu sagen „Willst du? Willst du auch? Gut, Mann und Frau, küssen.“ Nicht dass das Paar es so eilig gehabt hätte, oh nein, aber der dritte im Bunde, nämlich Klein-Arron, schon. Veyt war nicht dabeigewesen aber er konnte sich gut vorstellen wie Lady Pyrota vom glücklichen Endlich-sind-wir-verheiratet-Gesicht nahtlos ins Ich-bring-dich-um-für-diese-beschissenen-Schmerzen-Gesicht wechselte. Darum hatte es auch nur bis vor den Kamin in einer Hütte von Astranaar gereicht und nicht bis in die Kathedrale.

Sei es drum. Szenenwechsel, zweiter Akt. Gut 18 Monate später. Das bereits glücklich verheiratete Paar stand gemeinsam mit der Armee der Allianz in Süderstade kurz vor dem Krieg gegen die Horde, Lady Pyrota erneut in anderen Umständen. Eigentlich wollten sie gar nicht nochmal heiraten aber Sir Tagros, lichtpenibel wie er nun einmal war, bestand darauf, den beiden seinen persönlichen Ehesegen zu geben, nur um sicher zu gehen, dass sie auch richtig getraut waren. Nur wenige Wochen später kam Arrons kleine Schwester Beily zur Welt und Veyt fiel eine seltsame Verbindung im Hause van Roth auf. Hochzeit – Kind. Zweite Hochzeit - zweites Kind.

Nun war es also schon wieder so weit gewesen, und Veyt war nicht drum herum gekommen seinen alten Herrn zu fragen, wann denn sein neues Geschwisterchen da wäre. Veyt van Roth. Wenn Blicke töten könnten, du wärst in diesem Moment zu Staub zu zerfallen. Für den Bruchteil einer Sekunde zumindest, ehe der alte Herr ihm antworte, dass es ja ein drittes Kind gab, nämlich Veyt selbst. Dritte Hochzeit – drittes Kind. So entstanden Familientraditionen.

Hochzeitspaar Nummer 2, die Herausforderer, waren nicht minder illustre Persönlichkeiten, nämlich niemand anderes als Sir Alleander von Staupitz und Lady Cariador al'Abastra, und es war unschwer zu erraten, welche Rekorde sie hielten. Da war zu einem die längste Verlobungszeit (fast ein Jahr!), dann die längste Zeitspanne zwischen Verlobung und der dazugehörigen Feier (fast ein halbes Jahr!) und dann schließlich der Rekord für die meisten verschobenen Hochzeitstermine, brachten sie es doch auf stolze 4 Anläufe. Im Volksmund wurde es bereits liebevoll „Cariander-Syndrom“ genannt, wenn ein Paar gezwungen war, seinen schönsten gemeinsamen Tag zu verschieben.

Veyt grinste belustigt in sich hinein. Er erinnerte sich noch zu gut an das die baffen Gesichter von Alleander und Cariador, als Litonja und er den beiden vom festen Hochzeitstermin erzählten. Schwer und drohend, wie ein gewaltiges Schwert mit Totenschädeln samt blau leuchtenden Augenhöhlen am Griff, hatte schlagartig die vor langer Zeit geschlossene Vereinbarung „Wir werden nicht vor euch heiraten“ über den vieren gehangen. Und ehe man sich versah hatte sich Team Staupitz/al'Abastra das freie Wochenende zwischen den van Roths geschnappt.

Wer weiß. Vielleicht hätten die zwei eher geheiratet, hätte Veyt eher gescherzt, er wolle Litonja mal eben so spontan auf der Späherkuppe heiraten. Dann hätte Litonja eher verdammt gute Ausreden gefunden ihnen beiden den Hals vor dem Gang zum Altar zu retten. Woraufhin Veyt wiederum eher seinen Vater zum freundschaftlichen Duell gefordert hätte. Dieses hätte er auch entsprechend eher verloren und er hätte eher spontan einen Hochzeitstermin nennen müssen, was sein Vater für sich als Duellgewinn gefordert hätte, eh, hatte.

Natürlich gehört auch geprüft, was sich ewig bindet. Am besten mit kleinen Aufgaben an frischgebackene Ehemänner, die damit versuchen konnten, ihre holden Weiber vor garstigen Entführern zu erretten. Der Brautraub der Lady Cariador war eigentlich ein kleiner Racheakt dafür, dass eine Woche vorher Lady Pyrota kurz nach der Trauung entführt worden war. Gut, der Entführer hatte bezahlt, mit Schweiß, Blut und Tränen. Wobei... er hatte Sir Aklarmore seitdem nicht mehr gesehen. Die Kratz- und Bisswunden waren doch nicht infektiös gewesen?

Veyt tippte sich grübelnd ans Kinn und ließ den Blick über die Kuppe schweifen bis er eine Ziege (welche in einer schier unglaublichen halben Nacht- und Nebelaktion (über die er nicht sprechen geschweige denn denken wollte) von den Schildknappen aus einem Leuchtturm gerettet worden war) erblickte und sie musterte.
Die Ziege starrte ihn an.
Er starrte zurück.
Die Ziege kaute.
Er starrte noch immer.
Die Ziege hielt inne.
Er hielt die Luft an.
Die Ziege wackelte mit einem Ohr.
Er hob eine Augenbraue.

Mit einem Blinzeln warfen ihre geschlitzten Augen ihn in seine Gedankenbahn zurück. Wo war er gewesen? Ah, genau, der Brautraub. Lady Cariador. Sir Alleander. Prüfung. Ziege. Respektive Schaf. Ja, der gute Sir Alleander hatte an diesem Abend auch einen Rekord aufgestellt, den der gründlichsten Schafschur. Er war dabei so vorgegangen, dass lediglich eine Handvoll Wolle übriggeblieben war, der Rest war weg. Wolle wie Schaf. Angeblich von einem Wolf gerissen, was irgendwie unglaubwürdig erschien in Anbetracht zweier schießwütigen hungrigen Zwerge, die das Vieh in Rekordzeit am Drehspieß sehen wollten. Und das war nur eine von vielen skurrilen Aufgaben gewesen, welche sie dem bedauernswerten Bräutigam aufgezwungen hatten.

Veyt musste sich also schon ein wenig Sorgen um seine eigene Hochzeit machen. Die von Staupitzes würden sich rächen, da war er sich recht sicher. Ja, die dritte Hochzeit im Bunde war seine eigene. Er hörte noch Alleanders Worte bei der Verabschiedung auf der Feier: „Noch sieben Tage.....“ Ein tropfendes Geräusch kam vom großen gemauerten Brunnen im Innenhof, wo just in diesem Moment der Kopf einer Frau mit langen schwarzen Haaren auftauchte, welche ihr nass und strähnig ins Gesicht hingen. Ruckartig drehte sie sich zu ihm um und.... er verfluchte Kathul Unuk insgeheim, die ihm sofort übereifrig entgegen salutierte während sie verzweifelt versuchte, ihre frisch gewaschene Mähne zu bändigen.

Das Gewicht des ganzen verdammten Brunnens von den Schultern fallen spürend lehnte er sich zurück und atmete tief durch. Was wenn er die Zeremonie verpatzte? Was wenn er Litonja beim Tanz auf die Füße trat? WAS WENN ER VOR NERVOSITÄT VOR ALLEN LEUTEN IHREN NAMEN BEIM EHEGELÜBDE VERGASS? Ehegelübde. Verdammt da war was! Er hatte sich noch keins überlegt! Allein der Gedanke daran, noch die rechten Worte finden zu müssen ließen den Boden unter seinen Füßen verflüssigen.

Da hockte er nun. Ein unbeschriebenes Blatt Papier in der Hand auf der Suche nach den rechten Worten die er in ein paar Tagen vor gefühlt ganz Sturmwind auswendig rezitieren können sollte. Er selbst war vor einem Jahr ein nicht minder unbeschriebenes Blatt gewesen. Und dann? Dann hatte er Starthilfe mit einem Tritt in den Hintern bekommen, nahm parallel zur Zeit mehr Schwung auf, übersprang mit staksigen Sprüngen dien Knappenzeithürden binnen weniger Monate, an deren Ende er vom Schlag getroffen wurde, hatte schließlich auf der Halbjahresstrecke mit Fischgeschwindigkeit die vanRoth-Markierung erhalten und steuerte nun mit wackligen Knien dem Preis für „nervösester Bräutigam des Jahres“ entgegen. Wenn das kein Rekord war! Der einzige Unterschied war nur dass bei anderen Mitstreitern junge Mädchen mit farbigen Puscheln und viel zu kurzen Röcken (sollte man sie eher Gürtel nennen?) am Wegesrand zur Motivation standen, beim ihm waren es eher alte Männer, Zwergen und lustigen Wolfsmenschen, die mit farbigen Beulen auf seinem Hinterkopf für seine Motivation sorgten. Spontan mochte er die Mädchen lieber. Ups! Aber allein für den Gedanken hätte Litonja sich auf die Seite der alten Männer gestellt.

Ab und an stand sie aber auch zusammen mit ihm auf der Seite der eh... Teilnehmer. So waren sie beide maßgeblich an der neuesten Invention des Vas-Kathuls beteiligt gewesen: die eingesprungene Doppelkopfnuss. Über die Ziele muss man keine weiteren Worte verlieren, das bereitete ihm nur Kopfschmerzen.

Mit stockender Feder begann er auf dem Papier zu kritzeln. Warum genau wollte er diese Frau heiraten? Weil er es wollte, ja, aber wieso? Weil sie ein Auge auf ihn geworfen hatte und seitdem eine Augenklappe trug? Weil er ihr eine gebrochene Nase schuldete? Halt, nein, für die hatte er sich schon revanchiert. Er kratzte sich mit der Feder an der Nase. Denk nach, Veyt, denk nach. Warum? Veyt überlegte und überlegte und plötzlich stahl sich ein Grinsen auf seine Lippen und zog die Mundwinkel gen Ohren. Die Bewegungen der Feder wurden rascher, sauberer. Er wollte diese Frau, weil....






In einer anderen Ecke der Späherkuppe wurden derweil unzählige Kisten aus Darnassus verladen, deren Inhalt leise klirrte und nach einem „VORSICHT! ZERBRECHLICH!“ schrie.

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